Die Kinder und Enkelkinder der Gastarbeitergeneration formulieren neue Perspektiven undbeginnen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Darin setzen sie sich sowohl mit derMigrationsgeschichte ihrer Eltern und Großeltern als auch mit ihren eigenen Lebensbedingungenauseinander, entwickeln neue Lebensentwürfe und Strategien zur gesellschaftlichen Verortung. Siesehen sich als Kölner, Berliner oder Wiener, entwickeln eine provokante ‚Kanakenkultur’ oder‚Tschuschenkultur’ und schaffen auf diese Weise urbane Räume, die beschränkten Vorstellungen zuMigration und Integration entgegenstehen. Dieses neue Verständnis und die Strukturen, die daraushervorgehen, könnte man als ‚postmigrantisch’ bezeichnen. In diesem Sinn ist das Postmigrantischeimplizit herrschaftskritisch und wirkt politisch provokativ und stellt nationale Erzählungen in Frage.
Indem die Nachkommen der Zuwandererinnen und Zuwanderer ihre Migrationsgeschichte neu erzählen, neue Perspektiven aufzeigen, sich mit den Lebensbedingungen vor Ort auseinandersetzen,negative Zuschreibungen subversiv und ironisch umdeuten, schaffen sie ihre eigenen urbanenRäume, Transtopien, in denen unterschiedliche, widersprüchliche, mehrdeutige, lokale wiegrenzüberschreitende Elemente miteinander verknüpft werden und sich zu urbanen Strukturen und Kommunikationsformen verdichten. Was die Umkehrung negativer Zuschreibungen und derenironische Umdeutung betrifft, spricht Stuart Hall von „Transkodierung“ (Hall 1994).Transtopien sind Orte des Übergangs, an denen marginalisierte Akteure und Wissensarten insZentrum der Betrachtung rücken, privilegiert, zum Teil auch kultiviert werden, Orte, an denenherrschende Normen in Frage gestellt und eine andere urbane Selbstverständlichkeit erzeugt wird.Transtopien können im übertragenen Sinn Denkräume, virtuelle Räume und postmigrantischeLebensentwürfe bezeichnen.